Herzlich willkommen bei der neuen Raveline!

Natürlich ist diese Raveline eine andere als die Raveline, die ihr noch von damals kennt. Und bestimmt interessieren euch die Hintergründe, wie es nun dazu kam, dass die Raveline wieder da ist. Also:

Initiiert wurde die neue Raveline von mir, Stefan Gubatz. Es besteht eine kleine Möglichkeit, dass ihr mich von meiner Arbeit beim FAZE Magazin oder von diversen Musikproduktionen kennt. Wahrscheinlich aber eher nicht. Ich habe von 2006 bis zur Insolvenz des AEC Geronimo Verlags im Jahr 2011 beim Raveline Magazin als Grafiker gearbeitet.

Viel mehr als ehemaliger Mitarbeiter bin ich aber vor allem: langjähriger begeisterter Leser des Magazins.

Ich bin aufgewachsen im nordfriesischen Husum, kurz vor der dänischen Grenze. In den frühen 90er Jahren gab es noch kein Internet wie wir es heute kennen und für jemanden, der beginnt, sich für elektronische Musik zu interessieren, war es schwierig, an Informationen geschweige denn überhaupt an Musik aus diesem Genre zu gelangen. Bei Karstadt und dem „Disco-Express“ gab es nicht viel mehr als die „Rave Base“- und „Trancemaster“-Compilations, ansonsten schien aber auch niemandem meiner Freunde diese Musik überhaupt etwas zu bedeuten.

Glücklicherweise gab es auf Viva TV die Sendung „Housefrau“, in der mir Sabine Christ und Mate Galic eine unerahnte, neue Welt von House und Techno eröffneten. Fortan sog ich die Sendung jeden Freitag Abend in mich auf (und manchmal auch noch die Wiederholung am Samstag Mittag). Ich lernte die Musik von Laurent Garnier und Hardfloor kennen, staunte über die X-Mix-Videos, konnte mir genau mit ansehen, wie DJs eigentlich Schallplatten ineinander mixten, wunderte mich über den Fakt, dass man Musik nicht mehr nach Interpreten, sondern nach Labels kaufte, und und und. Ich war vollkommen gebannt und wusste sofort: genau das ist meine Welt.

Und dann erwähnte irgendwann der ARD Videotext, den ich damals regelmäßig las, dass es ab sofort eine Zeitschrift über Techno und House am Kiosk zu kaufen gäbe. Der Name: Raveline. Natürlich besorgte ich mir dieses Heft – und ich war begeistert. Ich liebte den umfassenden Überblick über die Szene, ihre Protagonist*innen, die Musik, die Partys, das Lebensgefühl. Auch der lockere Schreibstil sagte mir deutlich mehr zu als etwa bei der Frontpage – dem zweiten Magazin zum Thema, das es drei Monate später an die Kiosks schaffte. Und auch das phantasievolle und innovative Layout der Raveline beeindruckte mich so sehr, dass ich mich später dazu entschloss, selbst den Beruf des Grafikers zu erlernen.

Bis zum Anfang der 2000er Jahre freute ich mich jeden Monat auf das neue Heft. Als das Internet jedoch allmählich größer wurde, verlagerte sich mein Interesse mehr auf Websites wie das Technoforum oder dancecube.de (was damals immerhin zur Raveline gehörte). 2005 las ich dann online eine Stellenanzeige, in der die Raveline einen neuen Grafiker suchte. Natürlich bewarb ich mich umgehend auf den Job. Der damalige Chefredakteur Sven Schäfer rief an und lud mich ein, wir unterhielten uns kurz und so begann ich schließlich meine Arbeit bei der Raveline am 02.01.2016. In diesem Moment wurde für mich dort ein großer Traum wahr.

Relativ schnell merkte ich allerdings, dass der Zenith der Techno- und House-Kultur mittlerweile überschritten war. Erwartet hatte ich in den Redaktionsräumen vermutlich ein wildes Treiben bunter Menschen, die halb feierten, halb Texte tippten während dazu ein DJ dazu auflegte – etwa so, wie man es aus den Hotze-Comics kannte, für die man natürlich auch noch regelmäßig die Groove kaufte. In der Raveline-Redaktion, in der ich nun arbeitete, lief den ganzen Tag Radiomusik, einige Mitarbeiter*innen surften im Internet, andere schauten irgendetwas im Fernsehen.

Trotzdem gab es eben auch die Dinge, die man von einer Technoredaktion erwartete. Jeden Tag brachte die Post kistenweise die neuesten Vinyl-Veröffentlichungen ins Haus, aus denen sich jede*r mitnehmen konnte, was er oder sie wollte – vorausgesetzt es wird dazu eine Rezension geschrieben. Ich war begeistert! So viele Platten wie ich nur wollte! Ich schrieb etwa 30-40 Rezensionen pro Monat und meine Plattensammlung wuchs und wuchs.

Das Größte für mich waren aber die Veranstaltungen, auf denen wir als Magazin Präsenz zeigten. Auf unserem eigenen Loveparade-Wagen durfte ich sogar auflegen, nie und nimmer hätte ich mir so etwas damals erträumt. Und in unserer Lounge auf der Mayday lernte ich nicht nur Stars und Sternchen der Szene kennen – sondern auch Leute wie Kai-Uwe Müller.

Kai-Uwe war Gründungsmitglied der Raveline, Raver und Aktivist der allerersten Stunde und hat seinen Enthusiasmus für die Szene nie abgelegt. Wir kannten uns zwar schon online aus dem Technoforum, aber in Natur merkten wir schnell: wir verstehen uns. Kai-Uwe versorgte mich mit den WIRKLICH relevanten Geschichten und Anekdoten, aus der Zeit, in der die Szene – und somit auch die Raveline – noch wie ein heißer Kessel kochte. Auch die Legende über seinen Rausschmiss, der unmittelbar mit seinem Verriss zu Scooters „Hyper Hyper“ zu tun hatte, klärte er mich nonchalant auf.

Wir merkten beide, dass uns ein gewisser Idealismus verband und trafen uns oft dort wieder, wo der „alte Spirit“ wieder heraufbeschworen wurde. Meistens war dies natürlich auf Partys, klar.

Auch andere Leute aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis definierten sich als Aktivisten der Technoszene. Benedikt Schmidt etwa, mit dem ich u.a. ein Oldschool-Acid-Projekt unterhalte, beschäftigt sich sowohl in literarischer, als auch anderweitiger künstlerischer Weise mit dem Thema – auch er war zwischenzeitlich als Raveline-Autor aktiv. Oder Sebastian Weber, der sich als Archivar der Szene begreift und eine schier unermessliche Sammlung an Magazinen, Flyern und Medien aufgebaut hat – und der u.a. das Heftarchiv zu dieser neuen Website beigetragen hat.

Im Dezember 2011 musste die Raveline und mit ihr der AEC Geronimo Verlag nach einigen unschönen Episoden Insolvenz anmelden. Diesen Umstand habe ich bis zuletzt sehr bedauert – nicht nur, weil ich selbst zu den Gläubigern des Verlages gehörte, sondern weil die Insolvenz die Geschichte der Raveline schlicht unrühmlich und unwürdig beendete.

Wir springen ins Jahr 2021. Ich arbeite mittlerweile in einem Kölner Unternehmen, an das eine große Anwaltskanzlei angeschlossen ist. Eines Tages plaudere ich mit einem Kollegen über meine Zeit bei der Raveline und wir stellen uns irgendwann die Frage, was eigentlich mit der Marke passiert ist. Eine kurze Recherche beim Deutschen Marken- und Patentamt ergibt: die Marke ist gelöscht. Ehemalige Verlage existieren nicht mehr. Ich kann die Marke registrieren.

Und genau das tut mein Kollege nun für mich. Ich kontaktiere meine Freunde und erzähle ihnen davon. Direkt phantasieren wir enthusiastisch die wildesten Modelle, was man mit der Raveline zukünftig anfangen kann. Wie kann man das Magazin zurückholen bzw. adäquat in die heutige Zeit transferieren? Ein neues Printmagazin ist natürlich aus den vielfältigsten Gründen vollkommen undenkbar. Online hingegen stehen uns alle Möglichkeiten offen. Nicht zuletzt, da ich sogar die Domain raveline.de registrieren bzw. von einem Domainhändler übernehmen kann.

Also: First things first! Das komplette Heftarchiv der Raveline soll kostenlos verfügbar gemacht werden. Und wie ihr seht, hat das ja bereits geklappt. Der größte Dank überhaupt gilt hier Sebastian Weber, der alle (!) Ausgaben gescannt, in Form gebracht und zur Verfügung gestellt hat. Totaler Wahnsinn.

Eine weitere Sache, die an den Start geht, ist der Raveline Podcast. Die Biografie der Raveline ist mehr als bewegt, es gibt eine enorme Menge an Geschichten, und Anekdoten zu erzählen. Hierzu unterhalte ich mich mit ehemaligen Mitarbeiter*innen der Raveline und lasse sie ihre eigene Geschichte mit dem Magazin erzählen. Angefangen von den Gründungstagen bis hin zur Insolvenz kommen verschiedene Generationen von (Ex-)Raveliner*innen zu Wort.

Und dann gibt es eben noch: das Magazin. Dass die neue Raveline ein Online-Magazin sein soll, ist auch einigermaßen klar, nur muss man realistisch feststellen: wir haben weder die zeitlichen Kapazitäten noch den Antrieb, eine neue Zentrale für News rund um elektronische Musik zu sein. Haltet euch dafür gerne weiterhin an FAZEmag, Mixmag, Resident Advisor und wie sie alle heißen.

Dennoch haben unsere Autor*innen ein natürliches Bedürfnis, sich textlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Betrachtungen, Interviews, Reviews, you name it. Dass das ganze aber in einem eindeutig unkommerziellen Rahmen passieren soll, ist uns allen wichtig.

Raveline stand in unseren Köpfen immer für die „gute alte Zeit“, in der es um die Sache an sich ging. Um Musik. Um Party. Und um die Suche nach dem Unbekannten. Alternativ auch – ihr kennt das Motto: Um „Friede, Freude, Eierkuchen“. Jeglicher Personenkult, wie es in den heutigen Zeiten des Business Techno an jeder Ecke üblich ist, findet in der neuen Raveline nicht statt. Es wird keinen Artikel geben, der Part of the Deal mit einer Anzeigenschaltung ist. Was interessant ist, findet statt, was uninteressant ist, findet nicht statt. Eigentlich ganz einfach.

Auch werdet ihr es nicht zuletzt am Sternchen bereits erkannt haben: wir sind in der Gegenwart angekommen. Wir versuchen die ursprünglichen Werte der House- und Technokultur zu leben und setzen uns ein für Toleranz, Gleichberechtigung und Verständigung zwischen allen Menschen. Gibt es trotzdem Anlass zur Kritik, werden wir diese Diskussion nicht scheuen und sind jederzeit bereit, uns zu hinterfragen. Da lassen wir uns beim Wort nehmen, die Wayback Machine ist unser Zeuge.

Dennoch sind die Archivausgaben, die ihr auf unserer Seite findet natürlich gespickt mit überholten Ansichten, Sexismus und Co. – Wir bitten euch, dies im historischen Kontext zu sehen und wenn ihr darüber diskutieren möchtet, dann tut das gerne auf unseren Social-Media-Profilen.

Als weitere Inhalte gibt es die Raveline Definition Mix-Reihe, für die wir relevante Protagonist*innen von damals anfragen. Und was darüber hinaus noch alles so geht – das werden wir sehen.

Ein Hinweis noch: Wie oben angesprochen ist die neue Raveline ein unkommerziell orientieres Projekt. Das bedeutet auch, dass unsere Autor*innen und Mitarbeiter*innen für ihre Arbeit nicht entlohnt werden. Ihr habt aber die Möglichkeit, dem/der Autor*in unter jedem Artikel per Ko-Fi eine finanzielle Anerkennung zukommen zu lassen. Muss niemand machen, aber unsere Autor*innen freuen sich sicherlich sehr darüber.

Und zum Schluss noch dies: Ihr möchtet mitmachen? Möchtet schreiben, organisieren, euch sonst irgendwie einbringen? Sehr gerne! Schickt uns einfach eine Nachricht über unser Formular!

Puh. So viel also zum großen Warum und Wie und Was. Wir hoffen, ihr freut euch ähnlich wie wir darüber, dass die Raveline wieder da ist. Viel Spaß beim Stöbern!

Für das neue alte Raveline-Team,
Stefan