Wenn der Name Väth fällt, müssen wir als Erstes an einen Mitschnitt der legendären „Hessen-Night“ im Dorian Gray denken, der einen guten Kumpel einst vor dem nahenden Söldner-Exitus bewahrt hat. Als nämlich der Spieß des damals frisch einberufenen Sandkastenfreundes besagtes Tonband durch die frisch gewienerten Kasernenräume dröhnen hörte und daraufhin im Laufschritt in die Stube des besagten Kollegen einfiel, ertönte anstelle des erwarteten Primatenschreis ein wehmütiges „Hast du ihn damals etwa auch gesehen!?“. Die flehende Bitte nach einer Kopie des Tapes ist selbstverständlich erfüllt worden, aus dem Untergebenen wurde so ein Gesinnungskamerad, und die sonst üblichen Themen wie „Spindordnung“ oder „Korrekter Gruß“ wurden durch den ein oder anderen gepflegten Talk über Techno ersetzt.
Aber bei der „Faszination des Schamanen Väth“, die ihm selbst härteste Kritiker neidvoll zugestehen müssen, spielt er selbst sicherlich eine mindestens ebenso große Rolle wie das von ihm gedrehte Vinyl. Irgendwo hat das natürlich ziemlich viel mit Rock ’n‘ Roll zu tun, und davon wollten wir doch eigentlich alle mal so weit wie möglich weg.
Hat Sven Väth den Personenkult in die Technoszene eingebracht?
Absolut. Ich steh‘ ja zu dem, was ich mache. Ich muss mich doch nicht verstecken und sagen: Es darf mich keiner sehen, wenn ich auflege, denn es kommt nur auf die Musik an. Blödsinn! Die Leute brauchen immer irgendeine Verbindung, etwas, mit dem sie sich auch identifizieren können. Es ist bei mir schon immer so gewesen, dass ich mit meiner Person die Musik noch überzeugender rüberbringe. Weil ich den Leuten ein ehrliches Gefühl vermittle. Das ist nicht die Rolle „Sven Väth auf der Bühne“, das ist Sven Väth. Ich bin zum Beispiel jedes Mal darum bemüht, früh da zu sein, um mir die Leute anzugucken, und meistens auch bis zum Schluss da zu bleiben, sodass sie das Gefühl bekommen: „Der Sven war heute Nacht für uns da.“ Und nicht irgendwie dieses „Kurz gekommen, zwei Stunden aufgelegt, Backstage ein bisschen Laber-Laber, Kohle geschnappt und dann, wenn möglich, noch auf dem nächsten Rave gespielt.“ Es ist für mich nach wie vor das Wichtigste, dass die Leute zum Schluss glücklich auf der Tanzfläche stehen und sagen: „Okay, wir haben zusammen ’ne schöne Zeit gehabt.“ Ich habe dadurch so ’ne Art Vertrauensbonus. Da wird auch nicht groß überlegt, was spielt er heute für ’ne Musik, sondern da ist klar: Der Sven ist da, wir lassen uns fallen. Wenn ich nicht DJ wäre, wäre ich vermutlich Schauspieler oder Zirkusartist geworden. Ich habe den Leuten schon immer gerne etwas geschenkt – ein Gefühl, ein Lächeln. Es kostet ja nichts.
Steffi Graf, John Lennon, Princess Diana … Popstars haben ja immer wieder das Problem, von irgendwelchen manischen Irren verfolgt zu werden, die meinen, göttliche Stimmen zu empfangen, außerirdische Aufträge zu erfüllen, und Ähnliches. Hast du in der Richtung auch schon deine Erfahrungen gemacht?
Na ja, Drohungen habe ich noch keine bekommen, aber es gibt ein paar Psychopathen, die bei mir anrufen – Verrückte, die meinen, sie wären Sven Väth. Vor ein paar Tagen war erst wieder ein Typ da, der fest davon überzeugt ist, dass ich in Indien bei einem Guru durch eine spezielle Art von Körperreisen gelernt habe, in seine Seele zu gehen, um seine ganzen Ideen, seine ganze Energie auszusaugen und das Ganze dann als meine Sache zu verkaufen. Der behauptet, er wäre eigentlich der Besitzer von Eye Q und Harthouse, und er kam auch schon mal in die HR3-Clubnight, stand auf einmal mit Platten in der Hand neben mir und meinte: „So Sven, ich mach jetzt weiter!“ Ja, von solchen Psychos laufen halt schon einige frei herum, wo du echt denkst: „Mein Gott, was geht’n ab?“
Tja, damit muss man rechnen, wenn man sich derartig im Rampenlicht bewegt. Irgendwie zeichnete sich aber schon zu Pubertätszeiten ab, dass die berufliche Laufbahn des Frankfurter Großwesirs höchstwahrscheinlich nicht auf einem Ohrensessel in der Deutschen Bank enden würde. Sven war wohl immer schon ein wenig spontaner und impulsiver als die meisten Altersgenossen, und so ist es wenig verwunderlich, dass Sven mit OFF bereits im relativ zarten Alter von knapp 21 Jahren zum weltreisenden Pop-Idol avanciert war. Touren mit The Cure, Swingout Sisters und 1991 mit Dr. Alban fallen in diese Ära.
Hat dich Dr. Alban eigentlich noch mal gefragt, ob du wieder bei ihm im Vorprogramm spielen würdest?
Nee, die Verbindung war damals durch Logic und Mathias Martinsohn zustande gekommen. Weil die erste Alban-Scheibe so ein Knaller war, und die damals im Omen live gespielt haben, war klar: Alban geht mit Sven Väth auf Tour. Und ich meine, Alban fanden wir ja damals alle geil. Das kann man ja auch ehrlich zugeben. „Hello Africa“ und das erste Album sind auch gut produziert worden – mit geilen Afro-Rhythmen, und das ging doch gut ab. Wo es danach hinging, na ja, ich glaube, darüber müssen wir nicht reden.
Einmal mehr stellt sich an dieser Stelle die leidige Frage nach den „Original Creators“ der allemannischen Technobewegung. Vermutlich gibt es auf die Problematik, welcher der beiden urbanen Knotenpunkte, Frankfurt oder Berlin, sich denn nun die Mutterschaft auf den knackigen Busen schreiben darf, keine wirkliche Antwort. Dafür lagen die musikalischen Definitionen der beiden einfach viel zu weit auseinander. Denn Frankfurter Dauerbrenner wie Snap, Erdbeermund oder eben jener Dr. Alban waren für die Berliner Tekknos, wo das Vinyl zu diesem Zeitpunkt nur ab +7 rotierte und Roland BPM getreu dem Motto „Härter, schneller, weiter“ die Devise „Abfahrt“ großgeschrieben hatte, schlicht und ergreifend Disco. Damit wollte man in der frisch geeinten Metropole beim besten Willen nichts mehr zu tun haben, und so kam es, dass der Veranstalter der ersten deutschen Großrave-Serie „Tekknozid“, Wolle Neugebauer, die Väthsche Bitte um einen Auftritt bei eben jener Großveranstaltung dann auch mit einem unmissverständlichen „Du machst kein Techno, sondern Pop“ abwies. Sven sieht das natürlich nach wie vor ein bisschen anders, denn…
Bei uns ging es ja eigentlich schon mit Electronic Dance Musik Anfang der 80er los – zuerst Talla und sein „Tekno-Talk“ (83), dann kamen 85/86 OFF und 16 Bit. Auch Alban, Snap etc. haben wir mit Technologie produziert. Das war schon eine Art von Techno-Frankfurt-Dance. Wir haben schon Techno bzw. Acid-House gefeiert, als es in Berlin noch gar nicht aktuell war.
Wie auch immer … Stichwort Frankfurt. Heutzutage werden ja auch immer wieder Klagen vorgebracht, dass sich in Frankfurt nightlife-mäßig lange nicht so viel abspielt, sich die Partywut doch in wesentlich engeren Grenzen hält, als das von Außenstehenden gelegentlich vermutet wird.
Bereust du manchmal nicht die Machtkonzentration auf einen bestimmten Personenkreis, der in der Vergangenheit vielleicht auch dazu beigetragen hat, dass sich gar nicht so viel entwickeln konnte?
Das darf man, glaube ich, nicht so eng sehen. Wenn man mal zurückschaut, so vor zehn oder fünfzehn Jahren, gab’s ja nicht viel. Da war das Dorian Gray, und das war letztendlich der Aufhänger für die Technoszene in Frankfurt.
Na ja, es gab halt gewisse Key-Funktionen. Wir haben versucht, unsere Sache professionell zu machen, und ich glaube, wir haben damit zu jener Zeit ziemlich viele Leute motiviert. Die dann gedacht haben: „Na, wir könnten doch auch was in der Richtung tun.“ Es ist auf keinen Fall so gewesen, dass die Tür nicht für Newcomer offen gestanden hätte, aber es gab einfach nicht so viele Bühnen, wo sich die Leute vorstellen konnten. Die Läden haben uns ja nicht gehört, wir waren auch nur angestellte DJs und waren froh, dass wir unseren Wochentag hatten. Es war alles darauf ausgelegt: Der Laden muss voll sein, der Laden muss gehen.
Du musstest damals richtig um die ein, zwei Stunden von den sechs kämpfen, in denen du sagen konntest: „Das spiele ich jetzt einfach!“, obwohl du wusstest, dass jetzt gleich dein Chef hinter dir steht und sagt: „So, Sven, eine Viertelstunde noch, dann spielst du wieder was anderes.“ Mit der Musik, das war ja Revolte in ’nem Club. Instrumentale, harte Musik. Deswegen war’s halt auch schwierig, neue Leute auszuprobieren. Das haben wir ein paar Mal gemacht, aber es hat nie geklappt. Außerdem musstest du natürlich auch aufpassen, dass da keine schwarzen Schafe dabei sind, die das Ding in eine völlig falsche Richtung gebracht hätten. Und jetzt nach zehn Jahren hat doch eigentlich jeder was davon.
Okay, es gibt immer die Leute, die rechts oder links außen stehen und deshalb rummeckern. Wir haben uns hier mittlerweile eine eigene Infrastruktur geschaffen: Leben, Labels, Künstler, Klamotten.
Außerdem – doch, wir haben die Türen immer offen gehabt, auch für internationale Geschichten. Die letzten fünf Jahre im Omen, wir hatten sie alle da. Wir haben die erste WARP Label Party 1990 im Omen gehabt, dann kamen Underground Resistance, Plus 8, meine Geburtstagspartys.
Was dir dann doch ziemlich viele Leute übelgenommen haben, war diese Aktion bei der letzten Bürgermeisterwahl, wo du dich mit dem SPD-Kandidaten auf den Litfaßsäulen präsentieren hast lassen. Drunter stand dann irgendein Satz wie: „Frankfurt ohne … ist wie Techno ohne Bassdrum.“
Das war einfach so, dass wir von der SPD bei unseren Aktionen doch viel mehr unterstützt wurden als von der CDU. Ein typisches Beispiel war diese Drogen-Broschüre, die wir zusammen mit der SPD angeleiert haben, weil wir die Meinung geteilt haben, die Kids informieren, Aufklärungsarbeit leisten zu müssen. Die CDU hat uns dabei nur Steine in den Weg gelegt.
Würdest du das nochmal machen?
Ich weiß nicht, ich habe mir da eigentlich noch keine Gedanken drüber gemacht. Ich glaube, wohl eher nicht mehr. Ich habe gemerkt, dass die Leute sowas nach außen hin immer wieder falsch interpretieren, weil sie teilweise auch einfach nicht den nötigen Background besitzen. Grundsätzlich bin ich selbst sehr unpolitisch, und die Sache war eigentlich mehr ein Mittel zum Zweck, um die Sache in FFM vorantreiben zu können, denn wir hatten da ja auch Probleme mit der Sperrstunde, und der OB hat damals die Schirmherrschaft übernommen, als wir in der Alten Oper die Omni gemacht haben.
Apropos sich selbst treu bleiben. Du gibst ja auch kaum noch Interviews, dabei warst du eine Zeit lang in der Tat „omnipräsent“, vom BBC World Service bis zur Bunten, überall hat man dich gesehen. Leute, die dir nicht so wohlgesonnen sind, würden jetzt sagen, das ist wieder mal typisch. Man macht eine Sache, solange sie einen pusht, und wenn es zu kippen droht, dann verteufelt man sie ganz schnell.
Ach Gott, da mache ich mir eigentlich kaum Gedanken. Zu der Zeit habe ich ja auch gerade das „Accident In Paradise“-Album gemacht, dann das „Harlekin“-Album, da hatte ich schließlich auch was zu sagen. Ich wollte einfach Techno, die Musik, etwas, an das ich geglaubt habe und für das ich seit zehn Jahren gekämpft hatte, pushen, irgendwie promoten und sagen: „Das ist gut, das muss nach draußen!“
Und jetzt muss es nicht mehr nach draußen?
Nein, der Kampf ist vorbei, wir haben gewonnen. Für mich ist der Punkt angelangt, an dem ich mir jetzt sage: „Okay, wir haben es jetzt durchgebracht, das Baby.“ Ob das Omen jetzt aufhat oder zu, das ist letztendlich egal. Weil sich die Kultur verselbstständigt hat und sowieso weiterlaufen wird. Ich bin da jetzt auch gar nicht mehr so wichtig. Ich habe neue Ideen, neue Aufgaben, neue Konzepte, neue Visionen, wie ich die Sache letztendlich für mich gerne weiterbringen und auf eine neue Stufe bringen möchte. Ich habe mir jetzt eigentlich erst den richtigen Nährboden geschaffen.
Neue Stufe?
Wenn ich mir so die letzten Jahre anschaue, dann stagniert das doch alles. Diejenigen, die die Pionierarbeit gemacht haben und gesagt haben, „Ja, wir machen jetzt was Neues“, die stehen doch alle auf der Stelle. Es bewegt sich ja nicht mehr viel. Die Party ist immer das Gleiche, der Effekt ist immer der gleiche, die Droge bleibt immer die gleiche, und irgendwann wird halt der Reiz immer stärker, wieder was Neues zu schaffen.
Die neuesten produzententechnischen Aktivitaten des einst ballettanzenden Roboters sind zum einen der gemeinsam mit Stevie B-Zet fertiggestellte Soundtrack zu dem Antang Mai anlaufenden Psychothriller „Der Kalte Finger‘, zum anderen ein dubbiger Remix von dem Armani-Dauerbrenner Circus Bells“. Obwohl beides sicherlich zu den stärksten/innovativsten Outputs des harlekinschen Dunstkreis gezählt werden darf, liegen beide Produktionen irgendwo doch voll im Trend. Musiker wie Underworld, Leftfield („Trainspotting“) oder Helmut Geier (,Totmacher“) waren in der jüngsten Vergangenheit ebenfalls auf der Soundtrackschiene aktiv oder ließen sich zumindest von ihr inspirieren. Und auch die Breakbeat-Faszination erlebt ja bekanntermaßen ebenfalls eine allgemeine Renaissance. Aber das ist Sven selbst wohl am ehesten bewusst.
Unser Gehör ist geschult, viel Neues kann da nicht mehr passieren. Der eine macht ne gerade Bassdrum, der andere nen Electro Beat, aber die musikalischen Einflüsse sind nichts Neues. Von Experimental bis Ambient bis Breakbeat, wir sind geimpft. Was soll uns denn musikalisch noch mehr bewegen. „Audio is done“, würd ich mal sagen. Jetzt ist die Frage: Auf was für ne Ebene bringen wir das Ganze was machen wir daraus. Vielleicht sowas wie das Technocafé in der Münchner Reitschule, das Du vor kurzem gemeinsam mit Michi Kern und Uli Springer eröffnet hast? Das erinnert so ein bißchen an betagte Rockmusiker wie Mick Jagger, die auf ihre alten Tage nochmal ehen eine Kneipe aufmachen.
Ob man das mit Rock n Roll vergleichen kann, weiß ich jetzt nicht. Aber sicher hat jede Musikkultur, die dann auch ein bißchen aus den Kinderschuhen rauswächst, Leute, die das trotzdem weitermachen, aber natürlich auch noch andene Interessen entwickelt, habe, als nur in Clubs abzuhangent Man kann ja sich auch noch anderweitig beschaftigen. z.B. kommunizieren. Auch mal einen Kaffee zusammen trinken oder Karten kloppen oder mal labern. Man spricht mal über andere Sachen. Wann hab ich in nem Club schon mal Zeit, mich mit Leuten zu unterhalten? Gerade die Reitschule steht ja auch in so ner gewissen Tradition wo sich schon immer die Jugend getroffen hat. Letztendlich ist es genau das was wir wollten. Ne coole Anlaufstelle, wo auch ein bisschen Musik gespielt wird wo’s was Cooles Zu essen gibt, gute Drinks, Noch dazu die Lage am Englischen Garten: da wird im Sommer garantiert die Sau abgehen. Ich bin stiler Teilhaber, ich bin jetzt nicht der Aufhänger. Mein Name kommt sicherlich mit ins Spiel und deswegen kommen sicher auch ein paar Leute hin, aber das Schnitzel werd ich ihnen nicht braten.
Die Zukunft steht für Sven Väth jedoch keinesfalls unter dem Motto „back to the small clubs“, und auch wenn das Omen irgendwann (derzeitiger Stichtag 31.3.) doch noch geschlossen werden sollte, wird er in Zukunft „eher auf Veranstaltungen setzen“. Er will versuchen Brücken zu schlagen, Verbindungen zu anderen Kunstformen herzustellen. Wie die Umsetzung seiner Vision aussehen könnte, soll am Ende April das erste Mal demonstriert werden.
Das wird kein Megarave, sondern eine Veranstaltung für 3.000 bis 3.500 Leute, mit zwei Bereichen, mit vielen Artisten und Künstlern und Malern. Sicher die Musik, Tanzen wird auch hier vordergründig sein. Allerdings sollen die anderen Sachen, die drumherum passieren, im Gleichgewicht mit der Musik stehen, sprich: es wird auch optisch, visuell abgehen. Die Sache heißt Cocoon, quasi die Entpuppung, beschreibt also etwas Geheimnisvolles, die Leute werden sich entpuppen, je nachdem, wie wohl sie sich fühlen. Und da bin ich auch ahne Sponsor dran, ohne Marlboro, ohne Camel und das Ganze. Wenn man kreativ genug ist, braucht man diese Leute nicht, um gute Parties zu machen.
Wer wird kommen?
Also, wir haben jetzt bei der ersten Cocoon-Veranstaltung dabei: Underworld, The Advent und Earth Nation live, DJ Hell, DJ Kudo und ich als DJ im Cocoon Inside. Im Bionic Garden, so heißt die andere Area, spielen live Autechre, Ater Ego und Aural Float, das allein ist schon ne feine Sache. Insgesamt machen wir vier Veranstaltungen, eine in München, eine im Kölner Raum, eine in Berlin und eine in Frankfurt, das ganze geht dann vom Frühjahr bis Oktober oder so.
Die Parties sollen dann auch gar nicht unter dem Deckmantel „Techno“ laufen, sondern eigentlich nur ais zeitgemaßes musikalisches Konzept verstanden werden, zu der wir Bock haben, zu tanzen. Da könnte dann auch auf einmal eine afrikanische Band dastehen oder ne Samba-Band, du musst die Leute ja überraschen. Ich bin da selber echt auf die Reaktionen gespannt. Ansonsten gibt’s vielleicht mat Siegfried & Roy oder Andre Heller als Tanzveranstaltung, irgendwie sowas Magisches, da hätt ich schon noch Bock drauf.
Spätestens seit dem letzten Sommer setzen ja immer mehr Technofans auf die Alternative „Fortschritt durch Goa‘, 92/’93 hast Du Goa ganz ganz stark gefeatured. Suen Väth und Goa, das war ne zeitlang fast schon untrennbar miteinander verbunden. Aber mittlerweile hast Du mit der Klamotte ja gar nichts mehr zu tun. Wie erklärt sich der Sinneswandel?
Klar, auf „Accident In Paradise“ hab ich Goa gegrüßt, aber das ist jetzt einfach vorbei. Ich war von dem Staat Goa in Süd-Indien total fasziniert, und am Anfang auch sehr angetan von der Art, wie die Leute dort Parties feiern. Aber nach einiger Zeit hab ich erkennen müssen, daß es da doch letztendlich auch nur um eins geht, und das ist der Acid-Kult. Und dann diese ganzen Machenschaften untereinander, wer darf jetzt auf Parties spielen und wer darf nicht spielen. Ich find’s auch ziemlich doof so von den Leuten, die Goa eben mit mir in Verbindung gebracht haben und die sagen: Ach, der Sven, was will denn der in Goa. Der hat doch mit Goa überhaupt nichts mehr zu tun.“ Da merkt man halt auch, wie kleinkariert das Ganze dann auch wieder ist. Es ist schon heftig, ich meine, ich möchte jetzt nicht über die Leute abziehen, aber so tolerant, wie sie machen und so hippie-frei, wie sie sein wollen, sind sie nun mal überhaupt nicht. Und das merkt man halt auch in der Musik. Viele Leute wollten sich mit mir über Musik unterhalten, aber die haben überhaupt keinen musikalischen Background, die wissen nicht, wie und warum Techno und House irgendwann mal entstanden ist. Es interessiert sie auch nicht. Für sie gibt’s nur Goa-Trance, und den gab’s schon immer Sie wollen nur bedient werden von dem einen Sound, der dann auch nur auf Acid funktioniert. Andere Drogen, z.B. Ecstasy, werden total abgelehnt. Wer Ecstasy nimmt, ist ein Raver. Das ist sehr sehr klischeemäßig, letztendlich schon Kommerz, was die da unten teilweise betreiben.
Und immer wieder Drogen, Drogen, Drogen … in dem englischen Magazin MUZIK war kürzlich ein Partyreview über die Eurobeat 2000, wo Du zusammen mit Dave Clarke und Claude Young aufgelegt hast. Die haben sowas in die Richtung geschrieben, dass Du die Platten genauso lange laufen lässt, wie Deine Kloaufenthalte andauern… ich glaube, wir wissen, was sie damit gemeint haben. Hast Du wieder Lust bekommen, „die ganze Kaputtheit dieser Welt in Dich reinzusaugen“ (Sven beschrieb mit diesem Zitat einmal den Grund für seine frühere Kokainabhängigkeit)?
Absoluter Blödsinn. Weißt Du, die englische Presse ist ja auch immer ganz toll. Zuerst entdecken sie was, finden es geil, halten es hoch und dann gibt’s den Kopf ab. Ist doch immer das gleiche da drüben. Dave Clarke hat da zwei Stunden gespielt, Claude Young wieder zwei Stunden, und vielleicht war das ja doch schon wieder etwas aufmüpfig, dass ich dann vier Stunden gespielt hab‘. So nach dem Motto, „Da kommt die deutsche Extrawurst.“
Du hast ja auch mal gesagt: Pass auf, dass du nicht irgendwann mal sagen musst, „Ich hab‘ zuwenig gefeiert.“ Das klingt fast so ein bisschen wie „Live Fast – Die Young“. Denkst Du, um richtig groß zu werden, fehlt Dir vielleicht nur noch der richtige Abgang, tot auf E in der Badewanne oder so…?
Ich nehm‘ seit ’nem halben Jahr gar nichts mehr, ich trinke jetzt nur noch mein Bier und rauch vielleicht mal einen Joint… ich hab aufgehört mit Ecstasy, Kokain hab ich seit sechs Jahren nicht mehr angerührt, Speed war nie meine Sache und LSD ist was, was ich vielleicht nehmen würde, wenn ich in Asien irgendwo unterwegs bin und hab ne schöne Zeit irgendwie mit ein paar Leuten auf’m Berg oder so. Ich kann das nicht in geschlossenen Räumen zu mir nehmen, das ist nix für mich. Ich hab‘ alles durchexerziert, schön und gut, aber jetzt bin ich wieder dabei, zu sagen, Save the Energy für neue Power, neue Konzentration, neue Projekte. Ich möcht jetzt auch nicht als Moralapostel dastehen, aber es ist halt schon so ein Ding, dass die Leute sowas immer mit mir in Verbindung gebracht haben, so ungefähr: „Ach ja, der Sven ist eh druff, und wenn der Sven da ist, dann schmeißen wir uns alle was rein.“ Ich bin deren fucking Entschuldigung, warum die drauf sind. Was soll ich da noch sagen!? Und ich glaub‘ ich steh auch total zu den Sachen, die ich getan hab‘ und so. Und ich sprech‘ auch immer wieder ganz offen darüber, ich hab da keine Probleme mit, auch wenn die Kids mich direkt ansprechen. Aber viele glauben’s mir auch gar nicht, wenn ich sage, „Ich nehm nix, ich schluck‘ nix.“ Dann kommt oft nur, „Ja, ja.“
Schön, dann haben wir eigentlich nur noch eine Frage: Wir fahren jetzt gleich nach Heidelberg, zum Kongress für Bewusstseinserweiterung. Albert Hofmann, der Erfinder von LSD, und Ecstasy-Wiederentdecker Shulgin sind auch da. Gibt’s ne Frage, die Du den beiden stellen würdest?
(Zögert ein Weilchen) Der Platz „Megatripolis“, sagt der Euch was? Das ist der Ort da oben, wo sich die Schamanen treffen, wo die Leute hinreisen, um neue Kraft und Energie zu tanken, eben der Platz der Schamanen und der Zauberer. Ich glaub‘, da kommst Du auch hin über Peyote, LSD und so Sachen… Fragt doch mal, ob’s da ’ne Wegbeschreibung gibt.
Interview by Stefan & Harry
Shots by Fränkie Fendler