Ata – Weißwurst nach halb eins oder den Teufel im Leib

Aus Raveline 11/1995

„Okay let’s go!“
Mit einem breiten Grinsen schaut er mich herausfordernd an. „Wohin soll die Reise gehen?“ Obwohl ich zwei Köpfe größer und etwas ähm schlanker bin, fühle ich mich wie ein Grundschüler der beim Weitsprung versagt hat und nun von seinem Trainer aufgezogen wird. „,Café Mozart oder doch lieber…“ Bingo, daran erinnerte er mich die ganze Zeit – an eine Mozartkugel. Aber das nur auf den ersten Blick, denn wie gesagt, der Mann ist ein Energiebündel ohne Ende. Schließlich entscheidet er sich doch für das „Oktoberfest“ in einem Schwulencafé. Na denn, Prosit!

Doch ich reiße mich zusammen und vermelde bestimmt: ,Eigentlich müßten wir jetzt ein Paar Weißwürstl essen, wo wir doch schon…. Waaaas, um 3 Uhr willst Du noch ’ne Weißwurst essen?» outet er mich als Kulturbanause und Preuße erster Klasse, „die gibt’s in Bayern nur vor dem Mittag, aber doch nicht nachmitags um drei!“ Ungläubiges Kopfschütteln bei meinem Gegenüber. Mein Haüpt sengt sich in Schamesröte gen Boden und ich warte bis der peinliche Augenblick ausgestanden ist….

Plötzlich durchdringt seine Stimme die epische Ruhe: „Zwei Paar Weißwürstl und zwei Radler, Ober…“
Ata wie er leibt und lebt. Das Eis ist gebrochen und zehn Minuten später fallen wit über unsere Kräuterwürste her. Als Ata versucht, seine Würstl „auszulutschen“ kommt die große Stunde mich zu rächen und ihn zu „dissen“. Nun wird mir bewußt, wie hilfreich die letzten 10 Jahre Urlaub auf dem (bayrischen) Bauernhof waren.
„Waaaaaas auslutschen! Willst Du denn dem gesamten Freistaat vor den Kopf stoßen, ich zeig dir mal wie man super tschuggie pellt.“
Einstand.

Zwischen einem Bissen Brez’n und einem Schluck Radler kommen wir auf die Anfänge zu sprechen…

In the Beginning…
Als die progressive elektronische Tanzmusik in Frankfurt einzog und die Bewegung des Techno/House 1990/91 hier wie eine Bombe einschlug, war Ata schon einige Zeit in Sachen Mucke unterwegs und versuchte im damaligen BOY-Recordstore die neusten Scheiben an den Mann zu bringen. Zusammen mit seinen Kumpeln Heiko (M/S/0/) und Jörg packte er die Gelegenheit beim Schopfe und machte von nun an sein eigenes Ding, called „Delirium“! Müßig zu erwähnen, daß er einen Großteil seiner treuen Kundschaft gleich mitnahm…
…und so wurde noch in der Nacht vor der Eröffnung unter heldenhaften Einsatz seiner Vinyljunkies (heute ugs. Deejay) und anderer („normaler“) Freunde die Partyreste entfernt und die Grastapete an die Decke getackert. Soweit die Legende…

Schizophrenia 1995
Der Sud, der vor fünf Jahren anfing zu brodeln, ist zu einem ganz heißen Süppchen geworden, welches schon längst den Tellerrand verlassen hat. Nein, man muß nicht mehr ins Delirium, rennen , um als erster irgendein Weißmuster dieser neuen Gattung Musik zu ergattern; VIVA sei Dank kann man sich die neueste „Ravemaus Chapter 13″ telefonisch bestellen und hat alle Hits auf dem „Teller“. Wer sind schon Robert Hood und Jeff Mills? Maurizio?! – Vielleicht das Meerschweinchen von Westbam…? Die Roots fehlen einfach (welch neue Erkenntnis, Schreiberling!) und genau diesen zollt Ata maximum Respect.

.In Detroit liegen nun einmal die Wurzeln und der ganze Motor-City Mob hat so einen unvergleichlichen deepen Sound geschaffen, das kriegt hier keiner hin…mit Ausnahme von Maurizio… (es folgt ein zwanzigminütiger Ausflug in die Welt des unergründeten Basic Channel’s, mit vielen „Boah’s“ und „Wahnsinn’s“ etc.)
„Sonst sehe ich hier nur noch die Jungs von Acid Jesus ganz allein auf weiter (House-) Flur“, gerät Ata ins Schwärmen. „Ein sehr gutes Verständnis und Gefühl für Sounds und Strukturen“ bescheinigt er ihnen. Unweigerlich steuern wir auf Sensorama’s „Insel“ zu, die „beste Ladomat ever“ und ein Album, das völlig ohne Lückenfüller auskommt, weil Jörn und Roman ein gutes Jahr daran gebastelt haben. „Das hat wirkliche Tiefe und die Zwei werden ihren Weg gehen!“ stellt er fest. „Aber die Trendy Kurzhaarfrisur und die „Popidol“ Sonnenbrillen“ wende ich ein… „Sie müssen halt noch lernen, aber glaub mir: Die gehen ihren Weg“ Ich glaube ihm.

Tomorrow will come…
Für die Zukunft hat er sich vorgenommen, die boomende „Clubwear Geschichte“ ein bischen zu drosseln und sich voll auf die Musik zu konzentrieren. Den Labels ONGAKU, KLANG und PLAYHOUSE (in Kooperation mit Ladomat), die er zusammen mit Heiko führt, soll noch mehr von seiner Energiereserven zur Verfügung gestellt werden: Es wird Rmxs des „Our Music“ Knallers von DJ Plank und ähm nochirgendjemand geben, an dem Kult-Klassiker „Mihon“ auf Ongaku wird sich unter anderem Claude Young vergehen, und dann hat er noch ein paar junge, talentierte Asse im Ärmel, mit denen er auch in nächster Zeit auftrumpfen wird.

Ein anderes „Baby“, das er über Jahre hinweg hochgepäppelt hat, ist der „Wildpitchclub“ im „Nachtleben“. Die Geburt verlief nicht ohne Komplikationen und zu Anfang litt das Neugeborene unter akutem Nahrungs- (sprich Besucher-) Mangel. Aber der liebevollen Fürsorge und vor allem dem Durchhaltevermögen von Ata und Heiko ist es zu verdanken, daß die Risikogeburt überlebte und nun prachtvoll gedeiht. Ata betont, daß „Konstanz und Ausdauer“ die Schlüssel zu jeglichem Erfolg sind und viele gute Ideen und Konzepte letztendlich scheitern, weil die Beharrlichkeit bzw. die letzte Konsequenz fehlt.

Dieses Beharren auf seinem Standpunkt, daß das „technolastige“ Frankfurt einen guten Houseclub brauche zahlt sich jedoch mittleweile aus, denn der wildpitchige Donnerstag gilt derzeit als die Frankfurter Adresse für deepen Housesound. In der doch sehr intimen Atmosphäre ließen sich Partygäste wie John Aquaviva oder DJ Sneak schon das ein oder andere Mal zu ganz spontanen, kostenlosen Sets hinreißen. Es geht eben hier noch so familiär zu, wie sich das für einen anständigen Club eigentlich auch gehört. Der Mitgliedsbeitrag von 6.-DM ist denn auch mehr als (äußerst fairer) Unkostenbeitrag zu sehen und entspricht Ata’s Maxime, „Spaß muß nicht teuer sein.“ Für jeden, der den neuen „Sound Of Frankfurt“ kennenlernen will, gilt die Devise: „Don’t miss it!“

C.K.