PCP – Hardcore ohne Kompromisse

Aus Raveline 05/1995

RL: Erzählt doch mal, wie seid ihr eigentlich zu Techno gekommen?
PCP: Über Elektro, Detroit und Rap. Der Einzige, der hier vor uns in der Richtung was gemacht hat, war der Talla. Aber der hat auch kein Techno gemacht, sondern Elektro Body.

RL: Mittlerweile habt ihr ja unzählige Labels und einen eigenen Vertrieb. Wie kam es denn dazu?
PCP: Ja, wenn dich keiner ernst nimmt, musst du eben einen Vertrieb aufmachen und deine Labels dazu. Wir haben ungefähr 15. Denn beim Großvertrieb gehst du echt leicht unter, z. B. bei Discomania früher. Da war ’ne Platte immer eine Woche aktuell, und das war’s dann. Wenn die keinen Bock hatten, hatten die halt keinen Bock. Da machst du ’ne Platte, und dann steht die da rum, und die erzählen dir dann, die Platte verkauft sich nicht. Und dann machst du den Vertrieb aus dem Auto und verkaufst das Zehnfache.

RL: Habt ihr das so gemacht?
PCP: Ja, unser damaliger Vertrieb ist pleite gegangen. Wir haben zum Glück noch die Platten bekommen, bevor da alles verschweißt wurde – von der Kreditreform oder wie immer das heißt. So haben wir Holland erobert: Sind hingefahren, haben alles an die Läden verkauft, sind zurückgefahren, um Nachschub zu holen, und wieder rübergefahren. Nach drei Monaten kannten wir jeden in Holland, und jeder kannte uns und unsere Platten. Und wir haben gut überlebt.

RL: Ihr werdet ja heute noch in starken Zusammenhang mit der holländischen Szene gebracht. Passt euch das eigentlich?
PCP: Also, um ehrlich zu sein, das, was zurzeit aus Holland kommt, ist überhaupt nicht mehr rühmenswert. Das ist nicht mehr Holland, sondern Schottland. Wenn die Leute PCP hören, denken die immer gleich an Hardcore. Das ist ja auch richtig so, aber Hardcore steht bei uns nicht für 220 BPM Geballer, sondern für den harten Kern der Technoszene. Wir machen eben noch „real Techno“. Das hat aber mit dem ganzen Shoop-Einerlei, das zurzeit aus Holland kommt, nichts zu tun. Wir spielen auch keine 220 BPM Tracks, sondern lockere 170. Früher waren die Holländer echt cool. Rotterdam Rec., Ruffneck, Knorr etc. hatten alle ihren eigenen Sound. Mittlerweile hat sogar der Paul Pianobreaks in seinen Tracks. Der war früher obercool und ist auch immer noch ein netter Kerl. Aber dass er in einer Zeit, wo alle gepitchte Vocals mit Smileface auf den Covers mitschwimmen, enttäuscht schon. Der einzige Holländer, der noch cool rüberkommt, ist der Rob.

RL: Aber ihr seid doch auch oft in Holland gebucht?
PCP: Ja, und dort merken wir auch, dass die Leute eigentlich gar nicht darauf stehen, was dort gespielt wird, weil die bei uns echt super abgehen. Das Problem ist halt, dass die Holländer, vor allem die großen Vertriebe, alle in Deutschland groß rauskommen wollen. Und die denken, dass sich ein Trancer eher Shoop anhört. Dabei stimmt das gar nicht. Auf den echten Hardcore-Techno, den wir spielen, wurde doch früher auch abgefeiert. Den haben der Sven und der Dag, der früher übrigens der härteste DJ Deutschlands war, auch gespielt. Das ist eben Musik, die auch ohne Drogen kickt. Die ganzen mit E zugeknallten Leute müssen eben nicht mehr durch die Musik gekickt werden. Trotzdem würden die Leute heute noch auf futuristischen Hardcore feiern, wenn nicht alle Magazine diese Hetzjagd auf Hardcore machen würden. Die meisten wissen doch gar nicht mehr, was das wirklich ist, weil die höchstens die Thunderdome Compilation kennen, wo mittlerweile auch immer das Gleiche drauf ist, weil 10 Tracks von Gizmo, 10 Tracks von Prophet usw. kommen. Da ist es logisch, dass bei dieser Quantität die Qualität zu kurz kommt.

RL: Was glaubt ihr, wie sich die Technoszene überhaupt entwickeln wird?
PCP: Also, dass sich immer mehr Stars herausbilden, war klar. Manche haben es auch echt verdient, wie der Sven, der Dag, der Westbam, auch Marusha…

RL: Ihr respektiert Marusha?
PCP: Also mit der Musik, die sie macht, können wir echt nichts anfangen. Aber wenn man ehrlich ist, hatte die ihre Radiosendung schon, als manche, die sich heute wie Stars behandeln lassen, noch gar nicht wussten, was Techno ist. Es gibt aber auch viele, die es echt verdient hätten, oben zu sein, und die es nicht sind. Aber so ist das eben. Die Sex Pistols sind früher auch nie reich geworden, und im Bereich Techno ist das z. B. mit Underground Resistance das Gleiche. Naja, ansonsten werden die ganzen Kommerz-Sachen bald Pop werden und so wenig zur Szene gehören wie Masterboy etc. Auf jeden Fall werden immer noch viele Leute Techno machen. Viele glauben ja schon, es wäre vorbei. Aber wenn sich alle am Riemen reißen, wird das immer so weitergehen. Was soll denn jetzt noch kommen? Rückschritt gibt es bestimmt nicht mehr. Gitarren-Revival oder so. Obwohl Gitarre natürlich immer gehört werden wird. Das vergisst man auch. Es gibt immer noch 60 Mio. Leute in Deutschland. Wenn da mal ’ne Million Mark Oh kauft, bleiben immer noch 59 Mio., die ’s nicht gekauft haben. Das wird bei Techno genauso wie bei anderen Musikrichtungen. Damals, als es Metal gab, gab es zuerst auch nur Metal. Dann gab es die Scorpions und dann Slayer, nur um mal den Unterschied klarzumachen. Und dann gab ’s Sepultura und im Gegensatz dazu Bon Jovi. Und Bon Jovi hat viele Fans und Sepultura und Slayer eigentlich noch viel mehr. Für jeden gibt es irgendwie ’ne Szene. Und dahin muss Techno gehen: Dass es richtige Konzerte gibt und so. Das mit mehreren Hallen auf einem Rave ist schon ein Anfang. Es ist unverständlich, wenn Leute andere Musikrichtungen nicht akzeptieren. Jeder soll das machen, was er kann. Die Belgier z. B. machen obergeilen Hardtrance, darin sind die Meister. Und die Engländer machen den besten Jungle. Warum sollen wir jetzt Jungle machen? OK, es kann sein, dass wir mal ’ne Jungle-Platte aus Fun machen, wenn wir gerade aus London kommen. Aber nicht nach dem Motto: Boah, Jungle ist jetzt in, das müssen wir auch machen. Obwohl wir fast jede Jungle-Platte der letzten vier Jahre haben, weil wir Breakbeat schon immer cool fanden, weil wir auch Hip-Hop gehört haben. Das Gleiche mit House. Wir machen mit „The Mover“ recht harten House, obwohl sich das kein House-Typ anhören würde. Aber es hat schon House-Elemente. Den üblichen House machen wir nur, weil es jetzt in ist? Dafür gibt’s doch andere. Wir reparieren ja in unserer Wohnung auch nicht alles selber. Wenn die Badewanne kaputt ist, kommt der Klempner, und wenn das Auto kaputt ist, kommt ’s in die Werkstatt. Wozu alles lernen und nur zu 10 % können? Wir konzentrieren uns lieber auf das, was wir können, und geben vollen Einsatz.

RL: Lasst uns mal über die Frankfurter Szene reden. Da geht ja partymäßig auch nicht mehr viel ab. Mittlerweile gibt’s nur noch das Omen und das Dorian Gray.
PCP: Naja, das Omen ist halt das Omen. Da sollen die Leute hingehen, die die Musik hören. Schade nur, wenn man bedenkt, was der Sven und der Dag früher für Musik gespielt haben. Der Sven das neueste Experimentelle und der Dag den neuesten Techno. Wenn einer von den beiden irgendwo ’nen Auftritt hatte, wurde sofort ein Bus klargemacht, der dann proppenvoll mitfuhr. Die FFM-Szene war früher schon obergeil. Allerdings können wir es echt nicht verstehen, wenn die Leute sagen, im Omen wären alle so jung. Jeder war doch mal jung. Dürfen die keinen Techno hören? Dann gibt’s noch das Gray, und das ist… na eben das Gray (Lachen). Was soll’s, wir kennen eigentlich überhaupt keinen Club in Deutschland, in dem wir leben könnten. Vielleicht gibt es welche, aber wir haben noch keinen gesehen. Das Boccaccio war früher obercool. Das hat uns auch bei unserem Label Cold Rush inspiriert. Die Musik ist extra für die frühen Morgenstunden. Die Leute, die das Boccaccio noch kennen, wissen, wovon wir reden.

RL: Ist der Grund dafür, dass ihr keinen guten Club kennt, vielleicht, dass ihr meistens für Gabber-Partys oder Mega-Großraves gebucht werdet?
PCP: Kann sein. Die Leute denken halt, PCP wäre Smash, und das ist die einzige Platte, die wir je gemacht hätten. Dabei sind’s schon 180 Platten. Nur die Leute sagen halt: „Ey, was der Cirillo auf der Mayday gespielt hat, war geil. Ja, und PCP ist scheiße.“ Dabei spielt der Cirillo unsere Platten rauf und runter. Futuristischer Hardcore ist eben nicht so, wie das allgemein als Gabber bekannt ist. Beim Gabber fehlt die Harmonie in dem Lied. Da gibt’s dann einen Sound, und der rattert dann die ganze Zeit durch, und jeder hat den Break an der gleichen Stelle. Und das ist langweilig, weil dadurch keine Emotionen entstehen. Naja, als wir in Rotterdam waren, haben wir’s halt als Sportart angesehen, als gute Tanzmusik. Und der Tanzstil ist auch echt cool, genau wie die holländischen Raver. Nur die bekommen halt nichts anderes serviert. So ist das bei den Deutschen aber auch. Auf jedem Rave gehen die Leute zu Hardcore am besten ab. Die Mayday ist nicht umsonst so hart.

RL: Wie sieht euer Live-Konzept eigentlich aus? Man weiß ja immer noch nicht, ob ihr zwei oder zehn Leute seid.
PCP: In diesem Jahr werden wir mit drei Leuten zu den Auftritten gehen. Manchmal auch mit vier. Für uns ist es halt wichtig, dass wir auch wirklich ein Act sind. Oliver Lieb könnte z. B. als DJ durchgehen. Die Show ist gleich null. Wir sehen die Technoszene ähnlich wie die Rock’n’Roll-Szene früher. Deshalb ist die Show beim Live-Act das Wichtigste. Die Live-Acts, die korrekt sind, kann man echt suchen. Man sieht das an Prodigy. Wenn die auf der Bühne stehen, sieht halt jeder, dass das keine Idioten sind. Deshalb gehen die Leute bei denen auch so ab. Bei den meisten anderen Acts ist das leider anders.

RL: Was sind eure Ziele für die nächste Zeit?
PCP: Auf jeden Fall ohne Ende Platten machen, weil wir das in der letzten Zeit etwas schludern lassen haben. Außerdem neuen Künstlern zu helfen, wenn sie’s verdient haben. Wenn irgendwo Potenzial ist, muss es gefördert werden. Deshalb hoffen wir, dass wir in nächster Zeit nicht mehr so viele Tapes bekommen, wo Sachen drauf sind, die jeder macht, sondern was Eigenes.

RL: OK, danke für das Interview. Wollt ihr noch was loswerden?
PCP: Legalize it! (For the ones who know!)

Interview by Rave Busterz
https://www.instagram.com/rave.busterz.bochum/