Paul Elstak – The Creator of Hardcore

Aus Raveline 11/1995

Im Prinzip bedarf es bei ihm keines großen Vorwortes. So gut wie jeder kennt ihn, hat ihn schon mal gesehen oder von ihm gehört. Der 29jährige Holländer gilt als Multitalent in Sachen Hardcore-Music . Ihn verbinden Projekte mit Lenny Dee, Two Terrorists &t Scott Brown. Er ist Oberhaupt von Rotterdam Records und dessen Sublabels. Bald Terror, Euromasters, Too Fast for Mellow, Rave Nation & Evil Maniac… hinter all diesen Pseudonymen steht der Mann, der den elektronischen Hardcore groß gemacht hat. Der gebürtige Den Haager schuf Anfang der 90er die Welt des Gabbers und entdeckte als Mitglied im Forze-DJ-Team den Happy-Hardcore. Paul Eistak leistete wervolle Pionierarbeit und erntet nun seine Lorbeeren. Jan Schroller sprach mit dem Niederländer indonesischer Abstammung über Vincent Vega’s Ansichten, was Fußmassgen angeht, über Mikrowellen-resistentes Hühnerfrikassee und über verpeilte Piloten, die den Frankfurter mit dem Brüsseler Flughafen verwechseln…

RL: Paul, man nennt Dich den „Creator of Hardcore“. Wie sah Dein Weg in die Welt der elektronischen Töne aus?
Paul: Ja, das ist jetzt schon ungefähr fünf Jahre her. Das war ne Zeit, in der es keinen richtigen Hardcore gab. Die Musik war einfach zu ruhig. Und da habe ich halt gedacht, daß es auch einen Markt für härtere Sachen gibt. Zusammen mit Midtown Rec. habe ich dann ROTTERDAM RECORDS gegründet, was überraschend schnell einschlug. Vielleicht deswegen, weil Rotterdam Rec. das erste richtige Gabber-Label überhaupt war. Das Wort „Gabber“ gibt es ja eigentlich auch erst seit der Gründung von Rotterdam Rec. Deswegen sind viele der Meinung, daß ich sowas wie der Gründer von GABBER bin.

RL: Was waren Deine ersten Projekte? Hat alles mit dem Holy Noise Hit „James Brown is still alive“ angefangen?
Paul: Holy Noise war eigentlich noch früher, also vor der Rotterdam Rec.-Zeit. Holy Noise war auch schon ziemlich hart, aber kein Gabber. Rotterdam Rec. hat dann richtig mit Gabber angefangen.

RL: Hast Du mit dem DJen angefangen oder mit dem Producen?
Paul: Als DJ. Ich bin schon 13 bis 14 Jahre DJ und hab in meherern Clubs aufgelegt. Stilmäßig war das alles Disco, Madonna und solche Sachen. Ich habe aber auch Hip-Hop aufgelegt. Jetzt aber eben halt hauptsächlich Hardcore.

RL: Wieviele Sublabels hat Rotterdam Rec. mittlerweile und worin unterscheiden sie sich?
Paul: Also, da gibt’s noch Terror Traxx und Forze Rec. Terror Traxx und Rotterdam Rec. unterscheiden sich vom Style her eigentlich nicht. Das war mehr so ’ne Notlösung, weil wir einfach zu viele Releases hatten. Die Artists mußten zu lange warten, bis ihre Platten dann endlich rauskamen. Forze Rec. ist dagegen mehr ein Happy-Hardcore-Label und ist nicht so hart wie Terror Traxx oder Rotterdam Rec.

RL: Wie ist deine Meinung zum deutschen Hardcore? Sind dir Labels wie DHR oder Napalm Rec. ein Begriff?
Paul: Eigentlich nicht so richtig. Von Napalm Rec. hab ich schon mal was gehört, aber insgesamt steht meiner Meinung nach der momentane deutsche Hardcore eigentlich für das, was früher Rotterdam Rec. gemacht hat. Das ist irgendwie noch der alte Stil von früher – also noch ziemlich schnell und hart. Das wird in Holland fast nirgendwo mehr aufgelegt. Die Leute wollen jetzt mehr Happy Hardcore hören, also mit richtig guter Bass-Drum und nicht zu viel Noise. Melodien müssen auch gut zu hören sein. Das Publikum fährt einfach nicht mehr so auf schnelle und noisy Sachen ab!

RL: Gibt es in Holland noch sowas einen Underground?
Paul: Was im Ausland als Undderground bezeichnet wird, ist bei uns eigentlich kein Underground. In Holland ist es irgendwie normal, daß alle jungen Kids Gabba hören und im Ausland ist es eben mehr Underground. In vielen holländischen Clubs wird freitags und samstags Hardcore gespiel und auf Raves, wo die Kids hingehen auch; somit gibt es keinen Underground für Hardcore in Holland.

RL: Ein paar deutsche Hardcore-Producer sind der Meinung dass Techno-Musik was Politisches ausdrücken soll. Was sagst du dazu?
Paul: Meiner Meinung nach ist House Music Tanzmusik: das ist Musik auf die die Leute abfahren, weil sie nicht mehr an die politischen Sachen denken wollen. Fur mich persönlich steht auch der Spaß an erster Stelle! Als DJ oder Artist kann man auch auf anderen Wegen bekanntgeben, was seine Meinung zu irgendetwas ist Also in Holland weiß z.B. jeder, daß ich gegen Drogen bin und da brauch ich keinen Track zu dem Thema zu machen. Das wissen die Leute einach. Man kann ja seine Meinung z.B. in Interviews oder auf Plattencovern verbreiten. Auf eine meiner Platten hab ich z.B. auch etwas über Drogen geschrieben – da brauch ich kein Lied drüber machen!

RL: Manche munkeln, daß es interen der hollendischen Gabberszene Leute mit rechten Tendenzen gibt. Stimmt das?
Paul: Das sehe ich nicht so. Die meisten Leute, die ich kenne, wollen damit nichts zu tun haben. Die mögen uns ja auch als DJs – ich bin z.B. indonesicher Abstammung, Gizmo und DJ Rob auch, Dark Raver ist schwarz – wenn Dein Vorwurf stimmen würde könnten die Leute uns doch nicht als ihre Idole haben. Im Ausland denkt man das, weil unsere Mode halt Glatzkopf ist, oder ganz kurze Haare. Aber wenn man kurze Haare hat, ist man doch nicht gleich rechts und das ist es eben, was oft im Ausland gedacht wird. In Holland ist es eine Mode, um zu zeigen, daß man „Hardcore“ist. Dazu gehören dann auch die AUSTRALIAN-Trainingsanzüge, Nike Schuhe und eben der eigene Gabba-Tanz-Stil. Aber in Dertschland sieht man die richtigen Gabbers ja auch schon öfters!

RL: Was sagst Du zu Kommerzialisierung von Hardcore? Technohead mit ihrem „I wanna be a hippy“ sind hier ein gutes Beispiel.
Paul: Ich finde das gut, weil die Musik dadurch auch zu den jungen Leuten kommt Das Projekt „Hardcore“ wird damit immer größer und populärer. Die Hardcore-Szene selber wird dadurch auch gesunder. Und es ist ja auch so, daß Zeitungs-Journalisten im Prinzip immer schlecht von Hardcore-House geschrieben haben, und jetzt sehen die unsere Hits und denken „Hey, das ist doch ein positives Ding!“

RL: Deine neue House-lastige Platte „Luv U More“ auf Arcade geht auch stark in die Kommerz-Ecke. Willst Du jetzt wie viele andere auen etwas vom „Großen Geld“ abbekommen?
Paul: Die Geschichte ist eigentlich die, daß ich meine erste 12″ unter meinem eigenen Namen vor einem Jahr rausgebracht habe. Und unter einen der Tracks war „Life is like a dance“. Und da haben alle gesagt, das wir daraus einen Radio-Mix machen müssen. Das hab ich dann von zwei anderen Jungs machen lassen, weil ich selber keine kommerziellen Radio-Mixe machen kann. Und dieses Stück ist in Holland ein ziemlich großer Hit geworden. „Luv U More“ ist auf den zweiten Platz in Holland gekommen. Arcade hat das dann auch in Deutschland rausgebracht, weil es eben ein guter Dance-Track ist. Das ist eigentlich das Ding mit „Luv U More“ Und warum?..mit Hardcore hab ich eigentlich schon alles gemacht, was zu machen ist, drei Labels und und und. Ich habe Hardcore groß gemacht. Ich hab auf allen großen Parties, die es gibt, aufgelegt… und ich werde auch älter! Die kommerziellen Sachen habe ich eben noch nicht gemacht. Und sowas zu machen bringt auch Spaß. Natürlich bleibe ich aber nach wie vor Hardcore(!), auch wenn ich z. Zt. mehr House-Music und Dance Mixes als Hardcore mache. Auf den 12″es kommen ja immer noch Hardcore-Sachen raus.

RL: Was hälst Du von der deutschen Szene?
Paul: Meiner Meinung nach sollte die deutsche Hardcore-Szene lernen, daß es meht gibt als nur Sachen mit Schnelligkeit. Also z.B. auch Happy Hardcore. Ich glaube, daß die deutsche Szene kleiner geworden ist. das kommt wahrscheinlich daher, weil manches viel zu hart ist und das die Leute abschreckt. Unsere „Berufung“ ist, das „Projekt“ Hardcore größer zu machen – und das wird schon gelingen!

RL: Warst Du schon mal auf der Loveparade?
Paul: Auf der Loveparade war ich noch nie. Ich hab zweimal Mayday gemacht, aber Loveparade nie. Immer wenn Loveparade war, hatte ich irgendwoanders einen Gig.

RL: Und was hälst Du von Mayday?
Paul: Ja, das ist einfach schön, wenn man da auflegen kann. Aber auf den letzten paar Maydays gab es, meiner Meinung nach zu wenig Abwechslung. Nur Trance oder Techno! Für eine Veranstaltung dieser Größenordnung – zu wenig Hardcore!!! Früher war’s nur Hardcore und jetzt fast überhaupt nicht mehr!

RL: Wie sieht die Zukunft des elektronischen Hardcores aus und was sind Deine persönlichen Pläne?
Paul: Die Zukunft sieht sehr gut aus. Happy Hardcore wird sich über die Grenzen Hollands auf den Rest der Welt ausbreiten. Und meine persönlichen Pläne? Ja, einfach weitergehen! (Gelächter beiderseits)

RL: Last Message?
Paul: Ja, und zwar will ich den Leuten, die denken, daß Hardcore immer nur sehr schnell und hart sein muß, sagen, daß Hardcore für viele Strömungen steht. Dazu gehören auch Happy Hardcore und Breakbeats!

RL: Vielen Dank für das Gespräch!

Ja. S