DJ Taucher ist defintiv einer der ganz wenigen, die ihre Credibiltiy bei den Ausflügen vom Underground zum Overground und zurück nicht eingebüßt haben: War er lange Zeit doch eher ein Insidertip, so hat sich der Taucher spätestens mit seinen Hits „Fantasy“ und „Infinity“ in die Herzen vieler Raver gespielt. Mit „Fantasy“, seinem dritten Release, hat er denn auch den Sprung zum Major (It’s a Sony!) vollzogen. Der eifrige Streiter des Trance ist damit endlich aufgetaucht, ohne mit dem Strom zu schwimmen. Die Froschmann-Bezeichnung hat er sich übrigens bereits vor Jahren weggeholt, als er und seine Freunde aus dem Rhein-Main-Gebiet vor der Frage standen, die jedes Wochenende Tausende von Clubbern beschäftigt: Wie es anstellen, auf jeden Fall in den absolut angesagten Club reinzukommen, und das mit einem Trupp von 20 Leuten oder mehr?! In diesem speziellen Fall hieß der Club Omen und der Gralshüter Sven Väth Der Leader of the pack dagegen stolperte auf der Suche nach einem wirklich individuellen Outfit über Onkels Taucheranzug und hatte damit die Lösung für alle Probleme gefunden. Seit dieser Zeit hat er den Namen Taucher weg, auch wenn er nachts schon lange nicht mehr als Froschmann unterwegs ist.
RL: Erst Raver, dann Veranstalter, später DJ und Produzent – erzähl‘ mal aus Deinem Nachtleben!
Taucher: Im Mai ’91 bin ich auf Techno gestoßen, als ein Mädchen zu einer Grillfete bei mir im Garten ein Tape mitbrachte, wo die H3-Clubnight mit Sven Väth drauf war. Sie meinte, das sei die ganz neue Musik, und ich hatte so was überhaupt noch nie gehört! Ich hab‘ zu der Zeit in einer ganz normalen Schick-Micki-Diskothek hüfteschwingend versucht, zu MC Hammer und sowas meine Cola und mein Bier zu verkaufen. Als das Mädchen da mit dem Tape ankam, wußte ich überhaupt nicht, wo ich stand. Das war eine ganz verrückte Nudel, sie hat auch vom Omen geschwärmt und da hab‘ ich mir gedacht, das könnte man sich mal anschauen. Nachts nach dem Kellnern war ich sowieso öfters in Frankfurt, und in dieser Zeit begann dann auch mein Dasein als „Taucher*“, Mit dem Taucheranzug hab‘ ich den ultimativen Knaller gebracht: Preßluftflasche auf dem Rücken, Bleigewichte um den Bauch, und unten ist mir der Schweiß nur so rausgelaufen – richtig abgestraft hab‘ ich ausgesehen und bin fast auf allen Vieren gekrochen, aber wir waren drin im Omen, und war von da an der Taucher.
RL: Hast Du in dem Neopren-Ding denn noch getanzt?!
Taucher: Ich hab‘ dann Animation im Omen gemacht, und bin dem Sven auch fast überallhin hinterhergefahren. Im September ’91 hab ich dann schließlich meine erste eigene Party in der Diskothek M in Mainz veranstaltet, natürlich mit Sven Väth. An dem Abend waren soviel Leute in dem Laden wie noch nie zuvor. Alle Leute waren total super verkleidet, ich hab‘ heute noch die Fotos von diesem allerersten Abend. Das mit den Parties in Mainz ging dann so bis Anfang ’92, dann hatte ich die Möglichkeit, in der Frankfurter Music Hall was zu machen. Im ersten Dreivierteljahr der Veranstaltung hatten wir dort jeden Freitag ungefähr 1.200 Gäste, was uns natürlich total gefreut hat.
RL: Wann hast Du dann den Sprung hinter die Decks gemacht?
Taucher: Das war so im April ’92, als ich Parties in der Wartburg in Wiesbaden veranstaltet hab‘ und ich dort zum ersten Mal damit konfrontiert worden bin, daß eine Veranstaltung auch mal nicht so gut besucht sein kann. Um das Geld für den Warm-up DJ zu sparen, hab‘ ich mir selbst ein paar Platten besorgt und dann die ersten zwei Stunden oder so aufgelegt, bis der Headliner dran war. Auch bei meinen Veranstaltungen in der Music Hall war ich als DJ aktiv, wir hatten ja auch bis mittag auf, und so ab morgens war ich dann dran mit Auflegen. Da hatte ich dann auch schon einen gewissen Ruf als Trance-DJ, eben morgens, After Hour Publikum, lockere Musik. Ich konnte dort auch schön trainieren und vieles ausprobieren, denn da es meine Veranstaltung war, konnte mir niemand befehlen, vom Plattenteller wegzugehen.
RL: Du hast beim Auflegen einen sehr eigenen und soften Trancestil – wie kam’s dazu?
Taucher: Als ich damals mit dem Taucheranzug im Omen stand, hab‘ ich nicht daran gedacht, daß ich jemals Musik machen werde, es gab also nie eine konkrete Zielsetzung in diese Richtung. Alles hat sich doch sehr zufällig ergeben, und jetzt hab‘ ich einen gewissen Status, wo ich auch ein bißchen steuern kann und versuche, aus dem Ganzen ein Berufsbild zu machen – natürlich möglichst locker. Daß ich Trance auflege, liegt wahrscheinlich an meiner Person. Ich komme mehr aus der jazzigen Ecke und brauche immer Melodien, also was Weiches und Warmes. Ich mag’s nicht, wenn das einzig Interessante an einem Stück der rhythmische Abstand zwischen mehreren bumm bumms ist. Mit Hardcore könnte ich überhaupt nichts anfangen. Viele Leute haben mir schon gesagt, ich hätte einen „Mädelsound“, die Mädchen kommen auch oft und meinen: „Och, Du machst aber schöne Musik‘, das find ich total geil. leh hab‘ auch noch nie Kommerzielles aufgelegt, mit Ausnahme von meinen eigenen Sachen, die einfach dadurch kommerziell geworden sind, daß sie einige Leute gekauft haben. Eigentlich bin ich ein sehr undergroundiger Aufleger und spiele gern längere Sets, so über drei bis fünf Stunden.
RL: Welche anderen DIs findest Du gut oder mit wem legst Du gerne auf?
Taucher: ich muß sagen, daß DJ Dag und Paul van Dyk mich stark beeinflußt haben. Den Dag hab‘ ich immer Sonntag morgen im Dorian Gray gehört, und da war er schon ziemlich genial. Und dann war da natürlich Sven Väth.
RL: Mit Torsten Stenzel, einem der jüngsten Plattenproduzenten Deutsch lands, hast Du auch Dein erstes Stück „Happiness“ ( Crash Records) produziert, das vor allem in England ein absoluter Renner wurde. Deine zweiten Nummer, „Atlantis‘ ( Planet Love Records), entwickelte sich dann auch in Deutschland zu einem absoluten Clubhit , gefolgt von den erfolgreichen Releases „Fantasy“ und „Infinity“ auf Sony Dancepool. Arbeitest Du noch mit Deinem Partner zusammen oder hat sich da was geändert?
Taucher: Alle meine Produktionen mache ich nach wie vor mit dem Torsten Stenzel zusammen in seinem Studio. Der Kontakt mit Sony ist auf einer ganz privaten Schiene zustande gekommen. Wir haben denen dann ein Stück von uns vorgespielt, das war „Fantasy“, und das wurde auch direkt genommen. Im Moment sitzen wir auch wieder an einem neuen Stück, das wird noch vor Weihnachten rauskommen. Und in nicht allzuferner Zeit wird’s auch einen Longplayer von mir geben. Bei einem Sublabel von Millenium Records wird jetzt das Stück „Don’t Forget“ von uns als Diver und Ace released. Das Ganze ist housig angehaucht und mehr undergroundig. Als wir zum Videodreh für „Infinity“ in London waren, haben wir das Ding produziert und die Stimme der Sekretärin von Millenium verwendet, die uns da netterweise mit den Vocals geholfen hat.
RL: Spielst Du mit dem Gedanken, auch mal wieder als Veranstalter aktiv werden?
Taucher: Ja, auf jeden Fall, spätestens im Winter. Ich hab‘ ja zur Music Hall – Zeit hier ihn Mainz auch das sog. „Technofrühstück“ gemacht, also Parties am Sonntag bis abends, und da sind sogar immer die ganzen Frankfurter gekommen. Aus dieser Zeit hab ich noch mehr als tausend wirkich gute Adressen, und viele warten vielleicht nur darauf, daß wir wieder was machen. Die Leute hier haben es mir ermöglicht, daß ich bekannt geworden bin, und ich möchte für die sonntags daher auch wieder auflegen.
RL: Was war in diesem Jahr für Dich das absolute Highlight?
Taucher: Die HR3-Clubnight, die ich im Juni gemacht hab‘, das war für mich das Allergrößte! Das ist eine der berühmtesten Techno-Sendungen in Deutschland, die gibt’s schon seit fünf Jahren. Drei Stunden hab‘ ich fast tränenden Auges die Clubnight gemacht, die mich ja mal zu Techno gebracht hatte (wir erinnern uns: Die Grillfete und das Mädchen mit dem Tape.., die Red.). Auch dem Sven hab‘ ich meinen Respekt gezollt, indem ich sein Lied „Ich hab‘ das Licht gesehen“, gespielt hab‘, das er zur Geburt seines Sohnes vor zehn Jahren geschrieben hatte. Vor über 200.000 Leuten auflegen bei einer Radiosendung, wo mein Vorbild und absoluter Lieblings-DJ Sven Väth schon jahrelang Musik macht, das war schon phantastisch.
RL: Was hast Du eigentlich in Deinem Leben vor Techno gemacht?
Taucher: Ha, ich war sechseinhalb Jahre bei der Bundeswehr, bevor ich mit der Musik angefangen hab‘. Während meiner ersten Technozeit hab‘ ich noch ganz normal Dienst getan, als Fernmeldezug führer eines Feldjägerbataillons! Ich hatte 23 Soldaten und sieben Funkfahrzeuge, mußte meine eigenen Dienstpläne schreiben und die Jungs in den Dienst schicken, Unterricht halten und sowas alles. Irgendwann hab‘ ich dann meinen Führerschein verloren, wurde daraufhin von meiner verantwortungsvollen Aufgabe als Zugführer abgesetzt und durfte nur noch ohne jegliche Verantwortung Schriftstücke von links nach rechts reichen. Ab da blieb ich der Bundeswehr fern, bis sie mich ordnungsgemäß entließ-die Feldjäger hatten irgendwann keine Lust mehr, mich zu suchen, weil sie mich sowieso nicht gefunden haben. Seit dieser Zeit hab‘ ich also auch keinen Führerschein mehr, das macht aber nichts, weil’s mir auch so total gut geht. Mir ging’s noch nie in meinem Leben so gut wie jetzt!